Indien heute – Wie sich der Subkontinent in den letzten 20 Jahren geändert hat

Indien heute – Wie sich der Subkontinent in den letzten 20 Jahren geändert hat

Ich kann mich noch erinnern, wie ich als ich im Alter, gemeinsam mit meiner Familie nach Indien gegangen bin. Das war im Jahr 1997. Das war so gezwungenermassen. Ich wäre damals lieber in der Schweiz, oder noch besser in Deutschlang geblieben. Ein 15 jähriger aus Europa hat sicherlich andere Dinge im Kopf, als sich mit Lärm, Schmutz, Hitze, Armut, Stau, Korruption und Kühen abzugeben.

Mit 15 versucht man in Deutschland oder der Schweiz eine Freundin zu finden, Spass mit Freunden zu haben, das Nachtleben zu erkunden und gegebenenfalls auch eine gute Ausbildung zu machen.

Lernen, lernen, lernen

In Indien gibt es für jugendliche jedoch nur eine Sache – lernen, lernen, lernen. Nebenjobs, wie man sie aus Deutschland kennt, gibt es in Indien nicht. Und wenn ja, dann lohnt es sich nicht, da nur die Ärmsten der Ärmsten solche Jobs annehmen und hier kann man mit seinen Forderungen nicht mithalten. Nicht nur dass, es ist auch ziemlich verpönt, wenn man aus der Mittelschicht oder der gehobenen Mittelschicht kommt und Nebenjobs nachgeht. Dass heisst, bis zum Ende des Studiums kein bisschen Berufserfahrung… (das hat sich übrigens bis heute noch nicht wirklich geändert).

Für jemanden wie mich, der mit 15 Jahren nicht wirklich Interesse am Lernen hatte, sondern eher am Gamen (damals noch Allied General, die Monkey Island Reihe (zu diesem Zeitpunkt war das Spiel bereits ein Klassiker), etc.), an Sport (Basketball, Snakeboard, etc.).

In Indien gab es zu diesem Zeitpunkt (im Jahr 1997) fast noch gar nichts. Nicht einmal Autos gab es wirklich. Nur diese Ambassador Autos die unbequem und unbelüftet waren.

Zu diesem Zeitpunkt war Indien noch sehr stark abgeschottet von der Welt. Man konnte nicht von einer freien Marktwirtschaft sprechen.

Beispielsweise waren „Chucks“ inn zu dieser Zeit, nicht mal diese Art von Schuhe war es möglich zu beschaffen, nichtmal in den Grossstädten!

Auch die neuesten Spielkonsolen konnte man nicht bekommen.

Durch die sehr schlechten Strassen kann man Dinge wie Rollerskate, Skateboard, etc. auch gleich mal vergessen.

Hitze, Hitze, Hitze

Die sogenannten AC’s (Englische Abkürzung für Air Conditioner) waren im Jahr 1997 auch noch nicht vorhanden. Auch in Autos gab es keine Klimaanlagen!

Im Bus gab es kaum Platz und alle lagen praktisch aufeinander.

Die Hitze war kaum zu ertragen.

Studienplätze schwer zu bekommen

1997 gab es nur sehr wenige Hochschulen. Wenn man zum Beispiel IT Ingenieurwesen studieren wollte, musste man mehrere Hundert Kilometer vom Heimatort reisen.

Und diese Studienorte waren bei weitem keine Paradiese. Viele Orte, wie zum Beispiel Coimbatore, haben kaum Wasser, sind noch heisser als der Durchschnitt Indien’s und die Wohnräume erinnern mehr als Sauställe als Studierenden-Behausungen. Wobei ich mir vorstellen kann, dass auch ein Saustall in Deutschland eventuell noch räumlicher und bequemer war.

Zu alle dem kommt noch die hohe Konkurrenz. Gefühlt alle indischen Kinder schienen 24 Stunden und sieben Tage die Woche zu lernen. Waren sie mal nicht in der Schule, dann waren sie in irgendwelchen „Tution Centern“ wo man Nachhilfe bekam.

Der Konkurrenzdruck ist sehr hoch. Gleichzeitig gab es nur wenige gute Arbeitsstellen in Indien. Dass bedeutet für einen jugendlichen, dass auch wenn er gut bis sehr gut ist, fast gar keine Chancen auf solch einen Arbeitsplatz hat. Nur die Creme de la Creme hat einen Hauch einer Chance. Da kann ein verwöhnter 15 Jähriger, der nun mal gar keine Bock auf Lernen hat, auf jeden Fall nicht mithalten.

Schlechter Ausblick für fast jeden

Um es kurz zusammenzufassen. Nur Lernen, keine „Spass-Aktivitäten“, eine unglaubliche Hitze, schlechte Infrastruktur, keine Perspektiven, keine sportlichen Aktivitäten (ist verpönt bei den Indern, die Olympia Resultate sprechen Bände) und auch keine Möglichkeiten wirklich Anschaffungen (wie Computer, Spielkonsolen, etc.) zu machen. Ein Horror für jeden der aus dem wohlhabenden Europa kommt, wo man alles hat. (Auch für Inder war die Situation schlimm, daher sind ja auch soviele nach Deutschland und andere Länder ausgewandert. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es mehr Inder als Einheimische.)

Korruption, Betrug, Unsicherheit

Zu alle dem kommt dann auch noch, dass fast alle „Beamten“, Angestellten und sonstige Personen „geschmiert“ werden wollten. Nicht’s läuft ohne eine Zahlung. Nichtmal eine Anmeldung zur Schule war zu diesem Zeitpunkt ohne eine Bestechung möglich.

Gleichzeitig waren unbedarfte Europäer (Non Resident Indians, Auslandsinder, in diesem Fall) ein gefundenes Fressen für die Einheimischen, die bereits alle Tricks kannten. Die Einheimischen hatten ja auch keine Jobs oder sonstiges, also hat man sich darauf konzentriert, Dinge zu machen, die vielleicht nicht ganz so richtig waren. Wie zum Beispiel das „Ausnehmen“ von Auslandsindern.

Was sich seit 1997 verändert hat

Irgendwie ist es mir, mit Hilfe guter Bekannten aus Deutschland wieder in die Bundesrepublik zu kommen. Das war im Jahr 2002. Ein grosses Dank an alle die mir damals geholfen haben an dieser Stelle. Hier soll auch angemerkt werden, dass es sich bei diesen Personen um Deutsche handelte. Auch hier merkte man, Deutsche haben ein starkes „Mitgefühl“ für andere. Das fehlt zum Teil bei Indern komplett. Einmal abegerutscht, oder in Bedrängnis geraten, hilft einem in Indien niemand. (Sicherlich ist dies auch ein „Reflex“, da man nicht eventuell, durch den Hilfeversuch, selbst in die gleiche Situation gerät. Komischerweise findet sich dieser „Reflex“ des Nicht-helfens auch bei Personen aus wohlhabenden Schichten wieder)

Nach dem Jahr 2002 bin ich natürlich immer wieder mal nach Indien, um meine Familie zu besuchen. Mit den Jahren hat sich Indien immer schneller verändert.

Die ersten Anzeichen waren die grossen IT Firmen die entstanden sind. Wie zum Beispiel Tata Consultancy Company oder Infosys, die jeweils immer Zehntausende Hochschulabsolventen pro Jahr einstellten.

Dann merkte man auch, das es immer mehr Güter gab. Beispielsweise wurden die alten Ambassador Autos immer mehr mit modernen Autos aus den USA (Ford) und aus Japan (Maruti Suzuki, Toyota) ausgetauscht, beziehungsweise neu angeschafft.

Die Infrastruktur verbesserte sich allmählich. Ich war überrascht, dass in unserem Dorf damals Glasfaser-Kabeln für das Internet verlegt wurden, soweit war zu diesem Zeitpunkt nichtmal Deutschland.

Die Bildung verbesserte sich ungemein. Das Bildungswesen wurde beispielsweise sehr stark privatisiert. Zum Beispiel dadurch, dass auch Privatleute Colleges starten konnten. Die Zahl der Hochschulen explodierte im Zeitraum von 2000 bis heute. Gab es damals nur wenige Ingenieurhochschulen in Indien, sind es heute bereits mehrere Tausende.

Es enstanden Onlineshops wie Flipkart und davor noch andere. Mit diesen konnte man bereits früh Waren Online bestellen. Eine Überraschung für Indien. Dachte man doch lange, dass eCommerce auf dem Subkontinent nicht funktionieren könnte.

Das Fernsehen öffnete sich. Schrecklich waren die Zeiten, wo es nur indische Fernsehsender gab und diese waren damals grottenschlecht. Mit der Zeit kamen amerikanische und internationale Fernsehprogramme wie HBO, Fox, etc. hinzu. Auch die indischen Kanäle haben sich mit den Jahren verbessert.

Das Sahnehäubchen kam dann mit der Entstehung von Social Media. Durch Youtube, Facebook, WhatsApp und LinkedIn haben sich die Lebensstile in den letzten Jahren stark dem Westlichen angeglichen. Durch die weite Verbreitung von Smartphones (der Smartphone-Markt Indiens ist heute grösser als der der USA und liegt damit global auf Platz 2) und durch die gute Internetanbindung dieser haben die Leute ständig Zugang zu diesen Social Media Tools.

Government IT

Eine weitere starke Veränderung ist, dass die indische Regierung alle ihre Prozesse derzeit auf IT Systeme umstellt. Dabei helfen einheimische IT Riesen wie Tata Consultancy Company (oder kurz TCS), welche mehrere Hundertausend Angestellte haben und diese Herkulesaufgabe stemmen können.

Beispiele hierfür sind die Aadhaar Card, so eine Art Personalausweis der sicherstellt, dass Personen nicht zweimal in den Datenbeständen auftauchen oder die Goods and Services Tax (kurz GST), welches die Steuern für Güter und Services erheblich vereinfacht.

Entwicklungen in der Hochtechnologie

Indien hat es geschafft Satelitten in die Umlaufbahn des Mars zu bekommen. Das haben bisher nur wenige Länder geschafft. Soweit ich weiss sind noch China, Russland und die USA in diesem Klub. Die Satelittentechnologie ist einer der Fortgeschrittendsten der Welt und kann zu den Top 5 gezählt werden.

Auch in anderen Bereich vesucht Indien zur Weltspitze voranzuschreiten. Beispielsweis hat es Indien geschafft einen eigenen Flugzeugträger zu bauen. Auch hier gibt es nur wenige Länder die dies bisher geschafft haben.

Fazit

Der Text soll nicht unendlich lang werden, dann mach ich an dieser Stelle mal das Fazit.

Indien hat sich von der anfänglichen Horror-Show auf jeden Fall gebessert.

Dinge wie Krankenversicherungen und andere Absicherungen sind leider noch nicht wirklich ausgereift. Man kann zwar auf privater Basis Krankenversicherungen und weitere abschliessen, die Sicherheit, welche man hierdurch in Deutschland bekommt, ist hier noch nicht erreicht.

Dennoch kann man heutzutage einen ähnlichen Lebensstandart wie in Deutschland haben. Trotzdem sollte man eines nicht vergessen. Nur weil sich das Land innerhalb von 20 Jahren stark verändert hat, bedeutet das nicht, dass sich die Dinge und die Kultur in den Köpfen der Menschen bereits verändert haben. Viele kulturelle Eigenheiten hängen den Menschen immer noch nach. Das beste Beispiel sind die Toiletten, zwar nutzt man heutzutage fast nur noch westliche Toiletten, wie man diese benutzt weiss jedoch fast niemand, auch gebildete Leute nicht.

Indien hat sich also stark geändert. Dennoch denke ich, dass man als Person aus Europa immer noch grosse Schwierigkeiten haben wird, wenn man auf den Subkontinent kommt. Noch immer gibt es hier und da Korruption. Die Armut ist noch nicht wirklich komplett beseitigt. Hier und da finden sich immer noch Betrüger und Scharlatane. Der Strom fällt gerne und oft aus. Die Service-Dienstleistungen sind, zum Teil, noch nicht auf einem Europäischen Niveau (die IT Services, wie Software-Entwicklung, mal ausgenommen).

Pirvatpersonen aus Deutschland und Europa würde ich auch heute immer noch nicht raten langfristig nach Indien zu gehen, dafür ist die Kultur und die Gegebenheiten immer noch zu unterschiedlich. Es macht jedoch Sinn sich mit dem Land auseinanderzusetzen. Bald wird ein grosser Teil der weltweiten Konsumenten aus diesem Land kommen (Anteil an der Weltbevölkerung sind fast 20 Prozent. Gleichzeitig haben sich die IT Services sehr stark professionalisiert und haben ein westliches Niveau erreicht.

Was sind Eure Erfahrungen mit diesem Südasiatischen Land? Ich freue mich auf einen Austausch.

Bilder: Flickr.com/ Peter Haden/ Ian D. Keating/

Der Autor: Ich bin Sascha Thattil. Ich habe eine IT Firma in Indien, bin begeistert von Deutschland, Indien und blogge auch gerne mal über verschiedene Themen.

Schreibe einen Kommentar