Softwareentwicklung in Indien: Meine Erfahrungen
Seit fast 20 Jahren habe ich nun Kontakt zu der indischen IT Industrie.
Die ersten Berührungspunkte waren etwas zaghaft. Es war ein Computerkurs in Thrissur, Kerala im Süden des Landes, in dem die Grundlagen für Java und C++ gelehrt wurden.
Ich war nicht gerade gut darin, aber der Lehrende schien kompetent zu sein. Das war so zirka im Jahr 1998.
Seitdem bin ich immer wieder in Berührung mit diesem Thema gekommen. In diesem Beitrag ein paar Informationen und meine Erfahrungen zur IT in Indien.
Die Anfänge
Bereits im Jahr 1966 war IBM, der amerikanische IT Gigant, auf dem Subkontinent tätig. Aufgrund von politischen Problemen kam es Zwischendurch zu Unterbrechungen und der Neustart von IBM dort war im Jahr 1992. Seitdem hat die Firma das Personal immer weiter aufgestockt. Heute arbeiten bereits mehr als 100’000 Mitarbeiter dort.
Nach meinem Computerkurs in Thrissur und dem Abschluss der 12. Klasse in Kerala ging ich wieder nach Deutschland für ein Studium. In den ersten Semestern war ich noch in Wirtschaftsinformatik eingeschrieben, entschied mich dann aber später für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre.
Während meines Studiums ging ich auch immer wieder mal nach Indien, um meine Eltern zu besuchen. Dort sah ich in unserer Stadt sehr viele kleine Webagenturen und wunderte mich ob man dort tatsächlich die von allen beschwörten günstigen Webseiten bekommen könnte.
Der erste Auftrag
So traute ich mich mal etwas neues und ging in eines dieser kleinen Agenturen. Dort sass der Inhaber und ein weiterer Mitarbeiter.
Ich sagte, dass ich eine Webseite brauchte. Mehr Informationen wollten die beiden auch gar nicht haben.
Der Mitarbeiter suchte im Internet nach zwei drei Webseiten und fragte mich ob mir eines dieser Seiten gefallen würde. Ich nickte kurz.
Und sofort kopierte er den Source Code dieser fremden Seite, machte ein paar weitere Klicks: Voila, die Seite ist fertig.
Ich war ehrlich gesagt schockiert.
Wie kann man nur das Urheberrecht von jemandem anders so stark verletzen (das ist wohl meine Deutsche Denkweise).
Auf Nachfrage stiess ich nur auf Unverständnis. Für den Inhaber und den Entwickler war dass das Normalste auf der Welt.
Schlussendlich liess ich den Versuch jedoch fallen. Ich glaube ich hätte es nicht geschafft die beiden zu überzeugen, etwas von neu auf zu bauen.
Die ersten Lichtblicke
Auch wenn ich nur einige Semester Wirtschaftsinformatik studiert habe. Während des Studiums haben die Professoren bereits darauf aufmerksam gemacht, dass in Zukunft die Softwareentwicklung in Indien stattfinden und nur das Management/ Projektmanagement in Deutschland sein wird.
Diese Aussagen fand ich sehr interessant.
Auch gab es in diesem Zeitraum 2000 bis 2010 einen regelrechten Indien boom. Das Thema Indienberatung wurde bei Mittelständlern und großen Konzernen immer wichtiger.
Zudem gab es auch Versuche Programmierer vom Subkontinent mit der Green Card Regelung in das Land zu holen. Leider ist das gescheitert. Es gab zu diesem Zeitpunkt zuviele Angebote für solche IT Experten in den USA und Deutschland, welches deutsche Sprachkenntnisse verlangte, war nicht attraktiv genug.
Es war auch der Zeitpunkt in welchem große IT Firmen in Südasien entstanden. Wipro, Tata Consultancy Service und Infosys sind nur einige Beispiele. Alle diese Firmen haben mehrere Hundert Tausend Mitarbeiter. Die Liste lässt sich jedoch mit weiteren Beispielen ergänzen: MindTree, MahindraSatyam, Cognizant, etc.
Meine eigenen Versuche
Damit stieg auch das Verlangen einen eigenen Versuch zu starten.
Anfang 2010 nahm ich einige IT Projekte aus Deutschland an und versuchte diese auf dem Subkontinent erledigen zu lassen.
Dabei viel mir folgendes auf: Die Niederländer und Schweden sind bereits viel weiter als Deutschland, was das Thema Offshore Outsourcing angeht.
Besonders in den Niederlanden hat gefühlt jedes Unternehmen eine Partnerschaft mit einem IT Dienstleister in Südasien.
Nach den ersten Erfolgen merkte ich jedoch, dass ich auf dem Subkontinent sein sollte, um qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten zu können.
So eröffnete ich eine IT Firma in Indien, von wo aus ich seit dem IT Dienstleistungen für Agenturen, Softwareunternehmen und IT Abteilungen erbringe.
Der beste Weg
Über die Jahre hinweg habe ich auch gemerkt, der beste Weg mit Entwicklern von dort zusammenzuarbeiten, wenn diese direkt im Kontakt mit dem Kunden stehen.
Damit vermeidet man Kommunikationsprobleme, welche durch zuviele Managementschichten (Projektleiter, Team Lead, Vertriebsmitarbeiter, etc.) entstehen können.
Seitdem kann ich und meine Firma stetig steigende Kundenaufträge verzeichnen.
Die negativen Seiten der Inder
Es gibt auch negative Seiten.
Hier ein paar davon:
Viele Entwickler bei IT Dienstleistern sagen zu allem: “Yes, Sir, No Problem”.
Das gleiche bei Geschäftsführern dieser Firmen: “No Problem, Sir”
Meistens bedeutet das nichts gutes. Denn oftmals besteht dann doch kein spezielles Wissen zu diesem Thema, sondern der Inhaber fragt einfach nach Projektgewinnung bei den Mitarbeitern nach, sich diese bestimmte Sache (Programmiersprache, Framework, Content Management System, etc.) anzueignen.
Das klappt meistens nicht, da man in vielen Bereichen (Beispiel: Magento, ASP.NET, Laravel, Python, PHP, etc.) bereits einiges an Erfahrung braucht, um qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu erbringen.
Daher scheitern auch viele Projekt. (Zusatz: IT Projekte scheitern im allgemeinen schon mit einer hohen Rate, siehe Chaos Report, welcher von bis zu 60 Prozent ausgeht. Unehrlichkeit wird diese Prozentzahl nur in die Höhe schnellen lassen)
Der Grund dafür liegt hauptsächlich an folgendem Punkt: “Fehlende Empathie”
Wenn das Unternehmen keinen Bezugspunkt zu Deutschland und Personen von dort hat, dann fehlt auch ein Einfühlvermögen. Was eine Wertschätzung der aufgebrachten Zeit und des verwendeten Budgets beinhaltet.
Sind Entwickler von dort nun gut oder schlecht?
Da ich nun selbst Entwickler in Kerala beschäftige, muss ich sagen, Programmierer sind dort gut bis sehr gut.
Die Frage ist jedoch auch immer welche Werte man als Unternehmen innerhalb der Belegschaft verbreitet. Ist es das Ziel den Kunden erfolgreich zu machen und Werte wie Qualität, Ehrlichkeit, Integrität und weitere hochzuhalten? Oder geht es darum in kürzester Zeit den maximalen Umsatz bei maximalem Gewinn zu erwirtschaften? Bei vielen Firmen in Südasien geht es um das Letztere.
Die Realität sieht jedoch auch so aus, dass es dort Firmen gibt, welche Qualität liefern, welche von Audi, Porsche, BMW, C&A, Adidas, (füge alle weiteren bekannten Marken ein) eingesetzt wird.
Ich selbst habe bereits Entwickler in Kerala beschäftigt, welche Aufträge für BMW, C&A und Marco Polo erledigt haben. Um nur einige der Marken aufzuzählen mit welchen wir Kontakt hatten.
Softwareentwicklung in Indien ist also keine Randerscheinung mehr, sondern ist bereits ein wichtiger Bestandteil der IT Industrie in Deutschland.
Fazit
In einem Beitrag aus dem Jahr 2013 hatte ich bereits einige meiner Erfahrungen niedergeschrieben. Hier geht es zum Beitrag: “Erfahrungen mit indischen IT’lern”
Wie bereits erwähnt, hat sich meine Meinung seitdem etwas geändert und reflektiert die Informationen aus diesem Beitrag.
Besonders Unternehmen, welches ein Projektmanagement, gute Englisch-Kenntnisse (bei den meisten vorhanden) und sich mit Programmierung auskennen, können von indischen Programmierern profitieren. Sie können eine gute Ergänzung zum lokalen Programmier-Team sein.
Was ist Ihre Erfahrung?
Weitere interessante Beiträge:
Outsourcing Tipps auf Gründerszene
Was macht Sinn im Outsourcing und was nicht – auf Computerwoche
Bilder: YUHIRO.DE/ Flickr.com – Infosys
Sascha Thattil ist Blogger und Geschäftsführer bei YUHIRO. Wir bauen Entwicklerteams in Indien für Agenturen, IT Dienstleister und Softwareunternehmen auf.